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Letzter Brief von Mami an Sabine

 

Mein über alles geliebtes Bienchen

 

Danke, dass du uns neun Monate Zeit gelassen hast, von dir Abschied zu nehmen. Ein Abschied, der immer schwerer wiegt, je näher er kommt.

Neun Monate, eine magische Länge! Während der Schwangerschaft, wenn ein Kindlein in dir wächst, kann es nicht schnell genug gehen bis der Geburtstermin und damit die Bekanntschaft mit dem kleinen Wesen da ist. Du bist so glücklich und glaubst, niemand und nichts könne dieses Gefühl je ändern. Vor allem aber bist du überzeugt, nie von diesem geliebten Geschöpf Abschied nehmen zu müssen. Du glaubst, nur dein eigener Tod könne ein endgültiges Loslassen bedeuten.

Nun aber sind diese neun Monate viel zu kurz, um wirklich für immer Adieu zu sagen.

Als du da warst, war ich so glücklich, eine kleine Tochter zu haben! Vor allem aber warst du die Tochter, die ich mir immer gewünscht hatte: fein, zart, lieblich, anhänglich, voller Ideen und Kreativität, begabt, intelligent, musikalisch, sportlich, liebevoll und reizend in deinem ganzen Auftreten. Es gab kaum etwas in deinem Wesen oder Äussern, das nicht meiner Vorstellung eines gesunden, glücklichen Kindes entsprochen hätte. Ja, ich glaube, ich habe mit dir und deinen Brüdern nicht nur den Neid der Mitmenschen, sondern auch den Zorn der Götter geweckt.

Aber du warst da, ich habe deine Zärtlichkeit gespürt, dein Vertrauen, deine Liebe! Ich durfte dich lieben, umarmen, trösten, bewundern und loben. Ich durfte dir Mami sein und wurde dafür reich belohnt mit vielen kleinen Zeichen, Briefchen, Zeichnungen, Basteleien, Musikstücken auf Kassetten, Lächeln und Strahlen auf Fotos; später mit tausenden von liebevoll und grossartig formulierten Texten, wunderschönen Computer-Collagen und Bildern, die unauslöschlich in mir und bei mir sein werden.

Danke, meine allerliebste Tochter, dass du mein /unser Leben so bereichert hast! Trotz dem unfassbar grossen Schmerz und der grausamen Leere, die du zurücklassen wirst, möchte ich nie, dich nicht gekannt und geliebt zu haben. Mein Leben wäre viel ärmer und hätte nie diese Tiefe erlangt ohne unsere Begegnung. Wer viel bekommt, hat auch viel zu verlieren!

Was mir bleibt, ist grösste Dankbarkeit für das Geschenk, dich als Tochter erlebt zu haben und tiefste Trauer, dieses Geschenk wieder zurückgeben zu müssen.

 

 

© 2016 by Familie Meyer-Bopp, Neuenkirch

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